Normgeber im Profil - Teil 3: ASTM
In den ersten beiden Teilen unserer Serie zu Normgebern ging es um Normungsorganisationen aus dem europäischen Raum. Heute werfen wir einen Blick auf die ASTM, einen der traditionsreichsten Normgeber weltweit.
Sie ist nicht nur eine der wichtigsten Normungsorganisationen der Gegenwart, sondern auch eine der ältesten überhaupt: die im 19. Jahrhundert gegründete ASTM International. Wie ist dieser Normgeber entstanden und welche Bedeutung hat er heute?
Ursprünge der ASTM
Eine wichtige treibende Kraft zur Gründung der Organisation war Chemiker Charles Dudley, der 1875 die Leitung der neuen Chemieabteilung der Pennsylvania Railroad übernahm. In dieser Funktion untersuchte er verschiedene für die Eisenbahnindustrie relevante Materialien, und erarbeitete standardisierte Materialspezifikationen für die Zulieferer des Unternehmens. Damit gab er den Anstoß zu einem engeren Austausch zwischen dem Eisenbahnunternehmen und seinen Lieferanten, etwa bezüglich der optimalen Eigenschaften von Stahl für Eisenbahnanwendungen. Hierfür fanden sich Experten auf Hersteller- und Abnehmerseite in technischen Komitees zusammen, um sich über Materialspezifikationen und Prüfverfahren zu verständigen. Mit seinen internationalen Aktivitäten, etwa auf dem Internationalen Eisenbahnkongress, trug Dudley zur Gründung der International Association for Testing Materials (IATM) bei, die ebenfalls auf diese Komiteestruktur setzte. Am 16. Juni 1898 gründeten 70 IATM-Mitglieder den amerikanischen IATM-Landesverband, der 1902 in American Society for Testing Materials (ASTM) umbenannt wurde, mit Dudley als erstem Präsidenten.
Erweiterung und Wachstum im 20. Jahrhundert
Nachdem sich die Arbeit der ASTM zunächst vorwiegend auf Stahl konzentriert hatte, folgten bald weitere Komitees, etwa zu Zement. Zwischen 1902 und 1914 vergrößerte sich die Mitgliederzahl beinahe um den Faktor 10 auf 1687 Mitglieder. Diese konnten sich ab 1910 auch erstmals im ASTM-Jahrbuch über den aktuellen Stand aller ASTM-Normen informieren. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die Normungsarbeiten der ASTM auch für militärische Anwendungen wichtig, etwa für die Produktion von Stahlplatten für Kriegsschiffe und Panzer, oder für den (zementintensiven) Bau von Befestigungsanlagen an der Westfront. 1918 war die ASTM auch an der Gründung des American Engineering Standards Committee beteiligt, aus der später das American National Standards Institute hervorging. In den Jahrzehnten nach dem Krieg wuchs die Zahl der ASTM-Komitees stetig an, und die Standardisierungsarbeiten der Organisation trugen entscheidend zum Aufstieg der USA als wirtschaftliche und militärische Supermacht bei. Sowohl bei zivilen Produkten, etwa vom Hersteller General Electric als auch im Zweiten Weltkrieg und in späteren Konflikten wurden ASTM-Normen dabei immer wichtiger. Als sich die Organisation im Jahr 1961 von American Society for Testing Materials in American Society for Testing and Materials umbenannte, verfügte sie bereits über eine breite Vielfalt von über 80 unterschiedlichen technischen Komitees – weit mehr als die ursprünglichen Komitees zu Stahl und Zement aus den Anfangszeiten.
ASTM heute
Um der zunehmenden Internationalisierung seiner Mitglieder und Partner Rechnung zu tragen, benannte sich die Organisation im Jahr 2001 in ASTM International um. Es folgten die Eröffnung von Niederlassungen in Lateinamerika (2002), China (2005), Europa und Kanada (2013) sowie Verwaltungsratssitzungen weltweit, etwa in Mexiko-Stadt (2002), Berlin (2004), Tokio (2010) und Dubai (2016). Inzwischen können ASTM-Normen auch digital online erworben werden. In Deutschland bietet der Beuth-Verlag das Annual Book of ASTM standards sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form an. Diverse Prüflabore in Europa führen heute auch Prüfungen gemäß der darin enthaltenen Normen durch. Wenn Sie nach einem solchen Prüfdienstleister suchen, können Sie beispielsweise auf der Online-Plattform testxchange eine kostenlose Anfrage stellen, um Vergleichsangebote von Laboren zu erhalten, die ASTM-Normen unterstützen.