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Alles Gold, was glänzt? Prüfungen von Schmuck, Edelmetallen und Edelsteinen

von Gemmologisches Labor Berlin

Welche Laborprüfungen sollten Importeure von Schmuckstücken kennen, und wie kann ein Prüflabor die Herkunft eines Edelsteins ermitteln? testxchange sprach mit Andreas Stratmann, Geschäftsführer des Gemmologischen Labors Berlin.

testxchange: Herr Stratmann, als Gemmologe und Goldschmied prüfen Sie in Ihrem Prüflabor sowohl Edelsteine als auch Edelmetalle. Was sind typische Prüfanfragen, die Sie tagtäglich von Kunden erhalten?

Andreas Stratmann: Es geht bei uns primär um Edelsteinbestimmungen, Diamantgraduierungen, die Bestimmung von Edelmetallen und deren Legierungen, sowie um die Bewertung von Schmuck mit Edelsteinen und Diamanten. Häufig werden meine Dienste auch zur Überprüfung von Händlerangaben oder von bereits vorhandenen Zertifikaten in Anspruch genommen, wenn es beispielsweise um besonders wertvollen Juwelenschmuck oder größere Edelsteine und Diamanten geht.

Da auch allergische Reaktionen deutlich zugenommen haben, sowie das Anlaufen (Oxidieren) von Schmuckstücken selbst mit einem recht hohen Feingehalt, untersuchen wir des Öfteren auch auf Nickel und andere Allergien auslösende Elemente. Entsprechende Analysen sorgen hier für Klarheit.

Auch im Falle von Streitigkeiten muss ein Beweis beigebracht werden, aus dem hervorgeht, dass es sich eben nicht um wertvollen Goldschmuck handelt, sondern lediglich um vergoldeten Modeschmuck. Hierfür führen wir dann mit der Röntgenfluoreszenzanalyse eine Schichtstärkenmessung durch.

Bei Schmuck und Edelsteinen wird uns durch die Medien suggeriert, dass es möglich sei, nur mit einer Lupe einen Stein zu betrachten und die Edelsteinart, dessen Qualität und Beschaffenheit, sowie etwaig vorliegende Behandlungsarten zu erahnen und auch gleich noch einen Wert benennen zu können. Solche Vorgehensweise ist nicht nur unseriös, sondern erweckt beim Verbraucher auch falsche Erwartungen. Für die systematische Edelsteinbestimmung sind gemmologische Geräte, ein Edelsteinmikroskop und moderne Spektrometer notwendig.

Alleine für den Edelstein Rubin gibt es mehrere verschiedene synthetische Herstellungsverfahren, die untereinander teils zu Hybriden verknüpft und im Anschluss an die Herstellung auch noch z. B. einer Hitze-Diffusions-Behandlung unterzogen werden, bei der Fremdstoffe wie zum Beispiel Beryll in den Stein eingebracht werden. Der Sinn hiervon besteht darin, einen nur wenig erfahrenen Prüfer oder Sachverständigen bei der Mikroskopie denken zu lassen, er habe es mit einem behandelten Rubin zu tun, nicht aber mit einer Synthese. Rubin und Saphir gehören zur Edelsteingruppe Korund und synthetisch hergestellter Korund hat leider die gleichen gemmologischen Werte wie natürlich entstandener Korund. Das traditionelle Farbspektroskop ist nur von geringer diagnostischer Bedeutung, womit der Gutachter auf die Mikroskopie angewiesen ist. Für die Edelsteinmikroskopie wird allerdings Erfahrung und Zeit für die Untersuchung benötigt, und manchmal bleiben dennoch Unklarheiten im Raum stehen. Um diese bei Seite räumen zu können sind dann moderne, zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden nötig.

Immer wieder geht es um Fragen wie: Ist mein Edelstein natürlich, behandelt oder gar nur synthetisch? Habe ich einen natürlichen Diamanten, ist er HPHT-behandelt, wurde er künstlich hergestellt oder ist es nur ein CVD-bedampfter Moissanit (also ein anderer Stein, der lediglich mit Diamant bedampft wurde). Letzteres kann mit den üblichen Diamant-Moissanit Testgeräten nicht mehr festgestellt werden. Auch hierfür sind heute moderne Untersuchungsmethoden unerlässlich.

Nicht nur der private Endverbraucher, sondern auch erfahrene Kollegen treten mit diesen Fragen an uns heran. Unsere Spektral- und Röntgenfluoreszenzanalysen werden auch von sachverständigen Kollegen beauftragt, da diese als Beweisführung gerne in Gutachten eingepflegt werden. Durch die Analysen werden naturwissenschaftliche Fakten belegt und ein Gutachten ist dann nicht mehr lediglich die Meinungsäußerung eines Experten.

Manche Fragen können auch ohne großen Aufwand mit nur wenigen Prüfverfahren beantwortet werden, wie beispielsweise: Ist mein hellblauer Stein ein Blautopas, ein Aquamarin, ein synthetischer hellblauer Spinell oder nur Glas? Hierfür reicht zunächst eine Wärmewiderstandsmessung und die Untersuchung mit dem Polariskop. Falls es ein Aquamarin sein sollte, wären nur dann weitere Untersuchungen notwendig. Durch solche Vorabuntersuchungen kann man es vermeiden, unnötige Kosten zu produzieren.

Am beliebtesten sind unsere Mini-Zertifikate für Edelsteine, die ein Bild des Steins und neben den wichtigsten Werten als Fingerabdruck des Steines ein Bild des Raman-Spektrums enthalten. Als Erweiterung wird auch gerne die Aufbereitung als Investmentstein beauftragt. Der Stein wird hierbei in einer Edelsteindose versiegelt, in die das Mini-Zertifikat nochmals eingelegt ist. Der Stein und das Zertifikat werden dann nochmals zur Verwahrung in Kunststoff eingeschweißt.

Seitdem die Einhaltung bestimmter Schadstoffgrenzen nicht nur in Elektrogeräten gesetzlich vorgeschrieben ist und verlangt wird und auch eine der großen Verkaufsplattformen im Internet von den Verkäufern hierüber das Erbringen eines Nachweises verlangt, sind darüber hinaus die RoHS-Schadstoffuntersuchungen eine wichtige Thematik geworden.

Kleinere und mittelständische Lampenhersteller und Importeure lassen neben der RoHS-Zertifizierung auch ihre Leuchtmittel untersuchen, wenn beispielsweise nachgewiesen werden soll, dass eine Lampe zum Aushärten von UV-Kleber oder zum Desinfizieren eben bestimmte Wellenlängen im ultravioletten Bereich aufweisen.

Andreas Stratmann
Gemmologe, verbandsgeprüfter Diamantgutachter, Sachverständiger, Fachbuchautor, Goldschmiedemeister: Andreas Stratmann

testxchange: Immer wieder gehen bei der testxchange-Plattform Anfragen von Händlern und Importeuren ein, die Modeschmuck aus dem Ausland importiert haben und unsicher sind bezüglich der verwendeten Legierungen sowie der Konformität mit den EU-Marktzugangsvoraussetzungen. Welche Informationen und Dokumente sollten Importeure in solchen Fällen vom Hersteller einfordern?

Andreas Stratmann: Das CE-Zertifikat muss nicht zwingend vom Hersteller ausgestellt werden. Anscheinend ist es wenig bekannt, dass ein Importeur selber erklären kann, dass seine Artikel konform sind, nachdem er die entsprechenden jeweiligen Voraussetzungen erfüllt hat. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass einige Firmen zunächst wenige Proben einführen, die wir dann auf Schadstoffe untersuchen. Nach Bestehen dieses Tests wird dann ein RoHS-Zertifikat ausgestellt, welches dann zusammen mit der Konformitätserklärung des Importeurs vor dem Versand den Unterlagen beigefügt und dem Spediteur zur Verfügung gestellt wird. Diese Vorgehensweise ist wichtig, da aus Kostengründen zumindest ein Eurocontainer befüllt wird, dessen Rückgabe de facto unmöglich ist. Für Fragen diesbezüglich sind wir als Prüflabor allerdings der falsche Ansprechpartner. Hierfür gibt es Beraterfirmen und Zollagenturen. An dieser Stelle möchte ich auch dafür um Verständnis bitten, dass ich sowohl als Sachverständiger, als auch als Prüflabor zur Neutralität und Unabhängigkeit verpflichtet bin. Aus diesem Grund kaufe ich keine von mir bewerteten Gegenstände an und kann auch keine Empfehlungen aussprechen.

In Deutschland wird der Feingehalt von Gold in Tausendteilen angeben. 750/000 Au bedeutet also, dass von 1000 g der Legierung 750 g reines Gold sind. Punzierungen (Stempel) in Karat, wie z. B. 18K, sind in Deutschland nach dem immer noch gültigen Reichsstempelgesetz unzulässig. Bei Vergoldungen darf wegen möglicher Irreführung des Verbrauchers keine zusätzliche Angabe über den Feingehalt getätigt werden.

Bei Schmuck und Modeschmuck muss bezüglich der Metalle und Edelmetalle nachgewiesen werden, dass die Schadstoffgrenzen eingehalten werden. Hierzu führen wir die RoHS-Untersuchungen durch. Bei Modeschmuck sollte in jedem Fall ein Stück der entsprechenden Charge für die Analytik zerstört werden dürfen.

Bei Mineralien und Edelsteinen ist darauf zu achten, dass vermeintliche detektierte Schadstoffe auch Elemente sein können, die natürliche Bestandteile der chemischen Zusammensetzung des Steins sind. Beim Smaragd sind beispielsweise Chrom und Vanadium die farbgebenden Elemente, und auch ein Rubin ist nur dann ein Rubin, wenn die Farbe durch Chrom verursacht wird, ansonsten wäre es ein roter Saphir.

Chrom und Vanadium stellen als natürliche Elemente in einem Smaragdkristall natürlich keine Gefahr dar und müssen bei einer Schadstoffuntersuchung entsprechend berücksichtigt werden. Man kann hier nicht einfach die vom Gerät detektierten Elemente als Gefahrstoffe übernehmen.

Giftige Spurenelemente wie Cadmium sind in Edelmetallen keine Seltenheit. Goldlegierungen werden bei der Schmuckherstellung hart gelötet. Die Goldlote haben denselben Feingehalt wie die zu verbindenden Teile. Das Goldlot hat einen etwas niedrigeren Schmelzpunkt als die zu lötende Legierung. Das Senken des Schmelzpunktes des Goldlotes hat man durch Beigabe von Cadmium erreicht, was seit einigen Jahren in der EU verboten ist.

Eine Überprüfung von vorhandenen Vergoldungen ist auch immer sinnvoll und wichtig. Mit der RFA können wir eine Schichtstärkenmessung durchführen. Das Ergebnis sollte dann im Wesentlichen mit den Herstellerangaben übereinstimmen.

Bei älterem Modeschmuck finden sich manchmal Punzen (Stempel) wie: „Amerikaner“, „Union“ und „Charnier“. Diese Namen bezeichnen vordefinierte hohe Schichtstärken. Wegen des hohen Goldpreises findet man meistens nur sehr dünne galvanische Beschichtungen, die nicht einmal eine Oxidation, also ein Anlaufen des Stückes verhindern können.

Ein RoHS-Zertifikat ist auch aus marketingstrategischen Gründen sinnvoll, um dem Kunden zu zeigen, dass die Produkte gesundheitlich unbedenklich sind. Weitere Informationen über Import-Voraussetzungen, wie zum Beispiel sanktionierte Länder, aus denen nicht importiert werden darf, erhält man bei der Zollbehörde, wofür auch Zoll-Agenturen ihre Dienste anbieten, und für eventuell erforderliche Rechtsberatungen sind Anwaltskanzleien zu beauftragen. Als Grundvoraussetzung für den Import wird eine Umsatzsteueridentifikationsnummer (Ust.-ID) benötigt, die sich im Ausland VAT-Nr. nennt. Darüber hinaus wird für die reibungslose Verzollung eine EORI-Nummer benötigt. Bevor importiert wird, sind für die jeweiligen Artikel die entsprechenden Zolltarifnummern zu recherchieren. Weiterhin muss natürlich ergründet werden, ob es für das jeweilige Land und/oder für den einzuführenden Gegenstand Einfuhrbeschränkungen oder -verbote gibt, wobei auch die Ausfuhrvorschriften des Landes zu beachten sind, aus dem importiert werden soll.

testxchange: Und wenn die vorliegenden Dokumente nicht ausreichen, welche Laborprüfungen würden Sie für importierten Schmuck allgemein empfehlen, z.B. bezüglich Nickel, anderen Schwermetallen und RoHS?

Andreas Stratmann: Gut, dass Sie das Thema Nickel ansprechen. Hier müssen wir uns zunächst fragen, warum eigentlich Nickel und Gold legiert werden. Nur Gold und Kupfer sind gelb und rötlich. Alle anderen Metalle und Edelmetalle sind grau. Jetzt stellen wir uns die verrückte Frage, wie wir die schöne gelbe Farbe von dem Gold weg bekommen, um Weißgold zu legieren. Der Goldschmied verwendet hierfür eine sündhaft teure Legierung aus Gold, Palladium und etwas Silber und Kupfer, die er als so genanntes Halbzeug (Weißgoldblech, -draht, -rohr, etc.) bei Scheideanstalten einkauft. Für den normalen Verbraucher kann auf diese Weise kein Weißgoldschmuck produziert werden. Daher weicht die Industrie auf Vorlegierungen aus, die zwar als nickelfrei angepriesen werden, aber dennoch Nickel enthalten. Nickelweißgold ist vor einer galvanischen Beschichtung mit Rhodium auch nicht wirklich weiß, sondern leicht grauschmutziggelblich, was dem Kunden unangenehm auffällt, wenn sich an seinem industriell gefertigten Nickelweißgoldring nach einiger Zeit die Rhodinierung abgetragen hat. Bei der Rhodinierung sind wir auch schon beim nächsten Thema. Rhodium ist eines der 8 Edelmetalle und neben Osmium das teuerste Edelmetall. Ein kleines Fläschchen Rhodiumflüssigkeit für die galvanische Oberbeschichtung kostet mehrere Tausend Euro.

Das Galvanikbad ist überdies sehr empfindlich und kann durch kleinste Bedienungsfehler zerstört werden. Eine galvanische Schutzschicht aus Rhodium wird heute aus Kostengründen gescheut und viele Hersteller weichen auf andere Metalle aus, oder beschichten einfach gar nicht.

Es gibt leider kein allgemeines Nickelverbot, sondern lediglich eine Verordnung, die besagt, dass von einem Schmuckstück nur eine bestimmte definierte Menge Nickel an die Haut abgegeben werden darf. Hierfür gibt es ein Prüfverfahren, das allerdings nicht zerstörungsfrei und für den Endverbraucher auch nicht nachvollziehbar ist. Ein Grenzwert für das Element Nickel ist nicht in der RoHS-Schadstoffuntersuchung vorgesehen.

Bei älteren Schmuckstücken aus Nickelweißgold lag der Nickelgehalt erfahrungsgemäß häufig bei fast 10%, was natürlich stark überhöht ist. Wir können in solchen Fällen solange rhodinieren, bis der Wert auf unter 1% sinkt und somit ein Schutz gewährleistet ist, was aber auch hohe Kosten verursacht.

Da der private Endverbraucher nun ein nickelfreies Produkt erwartet, empfiehlt es sich, Modeschmuck mit einer starken Goldplattierung zu beschichten. Danach wird eine RFA durchgeführt und neben den Edelmetallen und Schwermetallen auch der Nickelgehalt gemessen.

testxchange: Im Handel mit Edelsteinen ist häufig deren Herkunft von Interesse, beispielsweise um auszuschließen, dass sie Ländern mit menschenunwürdigen Abbaubedingungen entstammen. Welche Möglichkeiten kann ein Prüflabor bieten, um hier mehr Klarheit zu schaffen?

Andreas Stratmann: Verschiedene geologische Entstehungsgeschichten (metamorphen oder vulkanischen Ursprungs) verursachten für bestimmte Regionen typische Einschlussarten in Edelsteinen, die wir in der Mikroskopie untersuchen können. So gibt es Dreiphasen-, Gas-, und Flüssigkeitseinschlüsse, sowie Heilungsrisse, Fahnen und Federn, sowie Mineraleinschlüsse. Neben den Einschlüssen in den Edelsteinen können auch bestimmte optische Erscheinungen charakteristisch sein. Neben der Edelsteinmikroskopie liefern auch Spurenelemente Hinweise auf die Herkunft. So weist zum Beispiel ein Smaragd aus Kolumbien bezüglich der farbgebenden Elemente ein höheres Vanadium-Chrom-Verhältnis auf.

Zusammengefasst: Über die Edelsteinmikroskopie und die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung mittels Röntgenfluoreszenzanalyse kann oftmals die Herkunft bestimmt werden. Allerdings muss der zu untersuchende Edelstein hierfür eine bestimmte Mindestgröße haben, um überhaupt Einschlüsse finden zu können. Bei gefassten Steinen ist die Untersuchung stark eingeschränkt.

In seltenen Fällen verfügen Edelsteinhändler über Herkunftsnachweise der entsprechenden Minen. So lassen sich beispielsweise Minenbetreiber in Tansania von der dortigen Bergbaubehörde einen Herkunftsnachweis nebst Ausfuhrerlaubnis ausstellen. Diese Bescheinigung erübrigt weitere Untersuchungen und dient zusammen mit der Einkaufsrechnung der Einfuhrumsatzsteuererklärung (Zollpapiere) als lückenloser Nachweis über die Herkunft.

testxchange: Sie bieten auch Seminare zum Thema Edelsteinbestimmung sowie eine Edelsteindatenbank für Röntgenfluoreszenzanalysen an. Welche Qualifikationen sollten Interessenten mitbringen, um solche Angebote nutzen und Edelsteine selbst prüfen zu können?

Andreas Stratmann: Ein gewisses Maß an technischem Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen und ein allgemeines naturwissenschaftliches Interesse wären hilfreich. Natürlich ist es immer gut, über Vorkenntnisse zu verfügen, was aber nicht zwingend notwendig ist.

Edelsteinspektrometer
Vielseitiges Prüfgerät für verschiedene Analyseverfahren: das UV-A/VIS/N-IR Edelsteinspektrometer

testxchange: Sie haben in den vergangenen Jahren eigene gemmologische Prüfgeräte entwickelt, darunter ein UV-A/VIS/N-IR–Edelsteinspektrometer. Werden gemmologische Prüfungen allgemein überwiegend nach bestimmten Prüfnormen durchgeführt, oder sind die Prüfverfahren hier je nach spezifischer Anforderung eher individuell?

Andreas Stratmann: Neben den bekannten Normen, Standards und Anforderungen an ein Prüflabor ist man als Sachverständiger an die Regeln der SVO (deutsche Sachverständigenordnung) gebunden und ist als Kontrollorgan den Kammern und dem Sachverständigenrat unterworfen.

Im Bereich gemmologischer Untersuchungen befolgen wir die Regeln der CIBJO (Internationale Vereinigung Schmuck, Silberwaren, Diamanten, Perlen und Steine, auch World Jewelry Confederation genannt) und die Regeln des IDC (International Diamond Council).

In Amerika erklärt das GIA (Gemmologisches Institut von Amerika) seine eigenen Regeln zu Nomenklaturen und in China gibt es so etwas wie einen obersten Gutachter, dem alle anderen unterstehen. Der Rest der Welt arbeitet nach den Regeln der CIBJO und des IDC.

Eine besondere Herausforderung stellt in unserem Fachbereich die Tatsache dar, dass ausschließlich zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden zum Einsatz kommen dürfen. Die rund 70 Edelsteinarten werden einzelnen Edelsteingruppen zugeordnet und nach ihren optischen Eigenschaften in 7 Kristallsysteme eingeteilt, was eine systematische Bestimmung ermöglicht. Hier wird nichts dem Zufall überlassen und es ist auch nichts „individuell“.

Systematische Edelsteinbestimmung mit gemmologischen Geräten und modernen Untersuchungsmethoden ist die Bezeichnung für die Durchführung folgender Prüfverfahren, wobei alle Untersuchungen unter 5500 Kelvin Tageslicht durchzuführen sind. Für Prüfungen mit langwelligem UV-A Licht sind 365 nm und für Prüfungen mit kurzwelligem UV-C Licht sind 256 nm zu verwenden:

Bestimmung der optischen Eigenschaften mittels Polariskop und Dichroskop. Hierbei wird bestimmt, ob ein Stein isotrop, anisotrop ein- oder zweiachsig, oder mikrokristallin ist. Es wird eine Wärmewiderstandsmessung durchgeführt und die Reflektivitätszahl wird ermittelt.

Nach Möglichkeit wird die Dichte bestimmt und mit dem Gewicht sowie den Maßen verglichen. Der Grenzwinkel der Totalreflexion ist der Wert der Lichtbrechung, der mit einem Edelsteinrefraktometer gemessen wird. Die Lichtbrechung wird nochmals mit einem digitalen Reflektometer ermittelt.

Unter lang- und kurzwelligem ultravioletten Licht werden lumineszierende Erscheinungen untersucht. Mittels einer Magnetresonanzwaage wird das Ansprechverhalten in einem Magnetfeld untersucht. Eventuelle Behandlungen durch radioaktive Bestrahlung werden mit einem Dosimeter durch Messung der Radioaktivität in Mikrosievert/Std. aufgedeckt.

Für eine eventuell erwünschte Wertermittlung sind darüber hinaus das Gewicht in Karat (metrisches Karat, abgekürzt ct) und die Maße zu ermitteln, sowie Schliff, Proportionen und die Farbe zu bewerten. Hierfür gibt es ein Proportionscope, ein standardisiertes Farbbewertungssystem und Farbvergleichssteine für Diamanten. Nach der Ermittlung der gemmologischen Daten wird die Mikroskopie durchgeführt. Hierzu wird ein Edelsteinmikroskop mit einem großen Dunkelfeldkondensor, Steinhaltevorrichtung, Polarisationsfiltern, Durchlicht, Auflicht und Schräglicht verwendet.

Mein UV-A/VIS/N-IR Edelsteinspektrometer© ist die Weiterentwicklung des traditionellen Spektroskops. Mit dem Spektroskop wird nur das sichtbare Farbspektrum untersucht. Man betrachtet dabei ein kleines rechteckiges farbiges Spektrum, das dann mit der Fachliteratur abgeglichen werden soll. Untersuchungen mit dem Spektroskop sind wenig diagnostisch und ernüchternd, was der Tatsache geschuldet ist, dass bei festen Stoffen Absorptionsbanden, anstatt -linien beobachtet werden. Da es kein Spektrometer gab, das auch Untersuchungen an gefassten und an kleinen Steinen ermöglicht, habe ich das UV-A/VIS/N-IR Edelsteinspektrometer© entwickelt und eine umfangreiche Referenzdatenbank angelegt.

Neben dem sichtbaren VIS Spektrum werden die UV-Absorption, das durch UV-Laser-Strahlung ausgelöste Fluoreszenzspektrum, sowie die Absorption im nahen Infrarotbereich gemessen. Darüber hinaus können mittels IR-Reflexion bestimmte Behandlungen nachgewiesen werden. Das Gerät erreicht je nach Kalibration eine Messgenauigkeit von 0,1 bis 0,5 nm. Die mit dem Edelsteinspektrometer ermittelten Spektren sind gemeinschaftlich betrachtet sehr aussagekräftig. Eine weitere Besonderheit besteht hierbei darin, dass die Spektren der Datenbank unabhängig von dem Edelsteinspektrometer sind, was nicht selbstverständlich ist. Die VIS Spektren entsprechen den mit herkömmlichen Spektroskopen gemessenen Spektren und können bei Bedarf auch mit vorhandener Literatur abgeglichen werden.

Mit einem Raman-Spektrometer wird das Schwingungsverhalten auf molekularer Ebene geprüft. Das Raman-Spektrum ist bei Mineralien ebenfalls sehr diagnostisch und kann darüber hinaus beschichtete Oberflächen (coated areas) sowie Behandlungsarten mit Ölen und Polymeren aufdecken.

Mittels Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA), auf Englisch X-Ray Fluorescence (XRF), wird die chemische Zusammensetzung auf elementarer Ebene ermittelt. Mit einem modifizierten Zahnarztröntgengerät kann die innere Struktur von Perlen dargestellt werden, außerdem können bleidotierte Rissfüllungen in Edelsteinen sichtbar gemacht werden.

Ein UV-C-Reflexions-Spektrometer, das mit einer Deuterium-Quelle ausgestattet ist, erlaubt Untersuchungen auch an gefassten sehr kleinen Diamanten, um HPHT-Behandlungen und Synthesen nachzuweisen. Zur Detektion von Typ-IIa-Diamanten steht darüber hinaus ein Diamant-Screening-Gerät zur Verfügung.

Zur Prüfung von Gold- und anderen Edelmetallegierungen steht die RFA zur Verfügung. Bei Goldmünzen und Goldbarren kann mittels Magnetresonanz geprüft werden, ob ein Goldbarren einen Kern aus unedlem Metall hat, zum Beispiel Wolfram, das die gleiche Dichte wie Gold hat. Darüber hinaus können wir mit einem Ultraschallmessgerät die unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten der Metalle messen. Auch über das Alter von historischem Schmuck können mittels RFA Aussagen getroffen werden, da man früher nicht in der Lage war, das gefundene Rohgold zu nahezu chemisch reinem Gold mit einem Feingehalt von 999,9/000 Au aufzubereiten.

Für die interessierten Leser*innen möchte ich abschließend auf meine Bücher hinweisen. Das Edelsteinlexikon Teil 1: Systematische Edelsteinbestimmung mit gemmologischen Geräten und modernen Untersuchungsmethoden, sowie das Edelsteinlexikon Teil 2a Achat-Korund: Die Edelsteinarten mit gemmologischen Daten, sowie Bildern der Spektren und der Mikroskopie.

Die Fachbücher sind aus meinem Skript für den Unterricht mit Auszubildenden im Goldschmiedehandwerk entstanden und beschreiben allgemein verständlich die Geräte, deren Funktionsweise und Anwendung.

testxchange: Herr Stratmann, wir danken für das Gespräch!